Dienstag, 30. September 2014

Wer mit nur einem Schuh einschläft, bekommt Kopfschmerzen: Über das trügerische Verhältnis von Korrelation und Kausalität

Wissenschaft soll Wissen schaffen, die Anzahl der menschlichen Erkenntnisse über die Welt vergrößern. Das Aufzeigen von Zusammenhängen zwischen zwei oder mehreren Variablen ist eine Form von Erkenntnisgewinn. Dieser bleibt u. U. unbedeutend, wenn die weitere Kenntnis über die zugrundeliegende Ursache fehlt oder unwahr ist.

Denn das gleichzeitige Auftreten zweier Ereignisse bedeutet nicht, dass diese ursächlich miteinander zusammenhängen. Korrelationen geben lediglich einen Hinweis auf das Vorliegen eines kausalen Zusammenhangs. Ein Ereignis A kann ein Ereignis B auslösen und umgekehrt. Beide Ereignisse können wechselseitig beeinflussen. Auch kann ein Ereignis C ein Ereignis A und Ereignis B hervorrufen. Ebenso könnte eine Wirkungskette vorliegen: Ereignis C wirkt auf Ereignis A und dieses wiederum auf B (vice versa).

Nachfolgende Beispiele von tatsächlich beobachteten Korrelationen, veranschaulichen die Problematik:
  1. “Wer mit nur einem Schuh einschläft, bekommt eher Kopfschmerzen (als jemand der barfuss schläft)“
    Das Beispiel ist offensichtlich. Niemand wird ernsthaft behaupten, dass jemand, der mit einem Schuh einschläft, genau deswegen Kopfschmerzen bekommt. Es gehen die wenigsten Menschen mit einem Schuh (oder Schuhpaar) bekleidet ins Bett. Diejenigen die das tun, stehen meist unter Wirkung einer dritten Variable, die das Verhalten und wiederum das Endresultat „Kopfschmerzen“ determiniert: übermäßiger Alkoholkonsum.
  2. “Kinder, die regelmäßig frühstücken, erreichen bessere Schulleistungen (als Kinder, die nicht frühstücken)“
    In diesem Fall erscheint der direkte Zusammenhang plausibel: Ein vernünftiges, ritualisiertes Frühstück (was das sein soll, darüber ließe sich ausgiebig diskutieren), stellt ausreichend Energie für den Vormittag bereit, die wiederum Grundlage für eine erhöhte kognitive Leistungsfähigkeit ist. So wird das Frühstück von vielen Schulmediziner seit Jahrzehnten als quasi die Hochschulreife sichernde Maßnahme empfohlen. Soziologen stellten fest, dass ein direkter Zusammenhang nicht ganz von der Hand zu weisen ist, jedoch eine dritte bzw. vierte Variable einen größeren Effekt ausübt: Abwesenheit. Schüler, die nicht frühstücken leben eher in ungeordneten Verhältnissen und bleiben dem Schulunterricht öfter fern. Ohne Input im Unterricht kann kein erfolgreicher Output in Prüfungen entstehen.
  3. “Je länger ein Patient im Krankenhaus verweilt, desto schlechter ist der spätere Gesundheitszustand“
    Im ersten Augenblick ist man geneigt, dem zu widersprechen. Doch die moderierende Variable löst den Widerspruch schnell auf: die schwere der Krankheit. Schwere Krankheiten erzeugen lange Krankenhausaufenthalte. Nach Entlassung sind die Patienten nicht immer vollständig genesen. Die Nachpflege ist oft intensiv, die Lebensqualität durch die Folgen oder Rückschläge gemindert.
Es lassen sich unzählige weitere Beispiele von Korrelationen mit mutmaßlichen, jedoch falschen Ursachenzuschreibungen finden. Natürlich auch beim Thema Laufsport, wie etwa: „Menschen, die 5x in der Woche laufen, leben gegenüber dem Normalbürger 3 Jahre länger“. Dass Laufsport in gewisser Dosis einen positiven gesundheitlichen Effekt hat, ist unbestritten. Doch in diesem Fall werden Äpfel mit Birnen verglichen. Sportler unterscheiden sich in vielen Eigenschaften von Nicht-Sportlern, wie z.B. im Hinblick auf Schlafverhalten, Ernährungsverhalten, psychische Krankheiten (Depression), beruflichen Stress / Belastbarkeit (schließlich bleibt Zeit für das Training). Allein diese Komponenten haben einen Einfluss auf die Lebenserwartung.

Möchte man die Effekte von Lauftraining auf die Lebenserwartung messen, müsste man eine zufällig zusammengestellte, im Hinblick auf die wesentlichen, bekannten Einflußfaktoren homogene Gruppe zusammenstellen und lediglich über den Faktor „Trainingshäufigkeit“ differenzieren und langfristig beobachten. Das Alltagsverhalten von Menschen lässt sich jedoch nicht derart eng kontrollieren. Randomisierte kontrollierte Studien stoßen bei dieser Fragestellung schnell an die Grenze der Umsetzbarkeit (für Interssierte hier ein Überblick über alternative Studiendesigns).

Fazit: Korrelation und Kausalität sind unterschiedliche Dimensionen. Auch wenn so mancher Zusammenhang eine plakative Schlagzeile hergibt oder im Kreis der Lauffreunde erstaunen auslöst, ein genauer Blick auf die argumentative Basis spektakulärer Aussagen lohnt und ist im Sinne echten Erkenntnisgewinns.

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