Freitag, 11. Februar 2011

Das richtige Tempo im Lauftraining: Wie schnell ist schnell genug?

„Mit welchen Intensitäten muss ich trainieren, um meine angepeilte Wettkampfzeit zu erreichen?“ Unter Läuferinnen und Läufern ist das mit Sicherheit eine der brennendsten Fragen. In Büchern, Leitfäden und auf einschlägigen Webseiten lassen sich hierzu viele und leider auch widersprüchliche Angaben finden.

Unumstritten ist, dass die zielführende Trainingsgeschwindigkeit von mehreren Parametern abgeleitet werden kann. Zur Auswahl stehen maximale Herzfrequenz, maximale Sauerstoffaufnahme, Laktatkinetik, Ventilationsschwellen oder die Herzfrequenzvariabilität. Zur Bestimmung dieser Größen ist der Einsatz relativ komplexer Messverfahren vonnöten. Den Einsatz einer Pulsuhr zur Bestimmung der maximalen Herzfrequenz heutzutage mal ausgenommen.

Die Verfahren haben naturgemäß Vor- und Nachteile. Vor allem letztere machen sich in punkto unzureichender Genauigkeit/Zuverlässigkeit (max. Herzfrequenz, und besonders dann wenn über Formeln abgeleitet; oft biologischen Größen gemein) oder Praxistauglichkeit (Bestimmung max. Sauerstoffaufnahme, Laktatkinetik etc.) bemerkbar. Labor- oder Feldmessungen sind unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten immer noch recht teuer, wenn es um das Training von Nichtprofis geht. Zudem verändert sich das Leistungsvermögen im Zeitverlauf, so dass die Tests regelmäßig wiederholt werden müssten.

Oft unberücksichtigt dagegen bleibt eine eigentlich außerordentlich praktische und von den meisten besseren Läufern angewandte Verfahrensweise: die zentrale Orientierung an der (realistischen) Zielgeschwindigkeit im Wettkampf. Schließlich geht es darum, sich dieser schrittweise anzunähren - körperlich und mental (auf biologische Details verzichte ich heute).

In unserem Vereinstraining ist die Wettkampfgeschwindigkeit zentrale Steuerungsgröße. Die anderen haben dennoch eine Kontrollfunktion. Schließlich kann ein Trainierender eine abgeleitete Geschwindigkeit x unter Hitzebedingungen, am Berg oder bei schlechter Gesundheit nur mit höherer Anstrengung erbringen, wenn von einem Wettkampfziel unter „Normalbedingungen“ (15°C, flach, gesund) ausgegangen wird. Das Abgleichen mit empfohlenen und bereits selbst beobachteten Herzfrequenzwerten – und natürlich dem dazugehörigen Wohlbefinden - ist sehr hilfreich. Sonst kann es schnell heißen: „Trainingsziel verfehlt, Wettkampfzeit ade, aber dafür einen Termin beim Orthopäden"

Beim Festlegen der Trainingstempi ist wichtig, dass diese über alle Intensitätsbereiche bestimmt werden. Also vom regenerativen Dauerlauf bis zu den supramaximalen Tempoeinheiten (erstere kann sogar langsamer als angegeben absolviert werden, insofern es bei einem Lauf und nicht Gang bleibt!) . Die Praxis zeigt, dass die klassischen Intervallläufe im 5/10 km Wettkampftempo meist im angemessenen Tempo absolviert werden (eher zu schnell), die Grundlageneinheiten hingegen, relativ zu langsam (und über den Jahresverlauf gleichförmig). Anfänger haben die Tendenz einen lockeren Dauerlauf zu schnell zu absolvieren.

In nachstehender Tabelle habe ich Erfahrungswerte und Literaturangaben für die Trainingsgeschwindigkeiten, abgeleitet von der jeweiligen Zielzeit, zusammengetragen. In diesem Fall für Zielzeiten von 40:00 bis 30:00 min beim10 km-Lauf (oder 10.000 m Bahn).

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Wichtig für die Praxis: Angegeben sind Geschwindigkeitsbereiche. Je nach Trainingsmethode und –ziel, ist die Geschwindigkeit im oberen, mittleren oder unteren Bereich anzusetzen. Für ein erfolgreiches Training ist vor allem das Einhalten der Größenordnung von Bedeutung. Es kommt nicht auf eine sekundengenaues Laufen an (zumal sich die Rahmenbedingungen eines Laufs ändern können, siehe oben).

Liegt Deine Zielzeit zwischen den Angaben, lassen sich die Werte gut interpolieren. Dabei ist zu beachten, dass die Zwischenwerte nicht immer linear verlaufen. Bei hohen (absoluten wie relativen) Intensitäten näheren sich die Werte stärker an, also lassen sich nicht ins Unendliche steigern.

Wie schon oft angesprochen: Wer die Leistungsfähigkeit dauerhaft verbessern möchte, sollte das Prinzip der progressiven Belastungssteigerung nicht außer Acht lassen (neben anderen). Nach 6 bis 8 Wochen Training und/oder einer stabilen neuen Wettkampszeit, auf höherem Niveau, kann der nächste Schritt gemacht werden. Übrigens auch in die andere Richtung, wenn die Ziele zu hoch angesetzt wurden. Zur Trainingssteuerung werde ich an anderer Stelle ausführlicher bloggen.

Nachstehend erkläre ich im Groben was sich hinter den Kerntrainingseinheiten verbirgt. Es handelt sich um Standards im 10 km-Training. Hier am Beispiel der Zielzeit 33 min über 10 km. Variationen sowie Kraft- und reine Schnelligkeitsinhalte außen vor gelassen.

REKOM - Regenerationsläufe
Regenerationsläufe über eine Dauer von 20 bis 45 Minuten bei < 2mmol/l Blutlaktat. In der Tabelle ist ein Intervall von 4:37-4:56/km angegeben. Die regenerationsunterstützenden Läufe sollten eher unteren Ende des Spektrums gelaufen werden, um das neuromuskuläre System spürbar zu entlasten.

LDL – Langsamer, langer Dauerlauf
Langsame Dauerläufe in leichter bis mittlerer Intensität (< 2 mmol/l Laktat) über eine Streckenlänge von 20 bis 30 km für den 10 km-Läufer. Begonnen werden sollte der Lauf im unteren Intensitätsbereich (4:37/km).

Zur Reizerhöhung, durch Zuschaltung weiterer Muskelfasern, bei sich anbahnender Ermüdung, kann der Lauf auf den letzten 3 bis 10 km auf ein Tempo von 4:00/km erhöht werden (Link). Es existieren auch Varianten, die bis auf Marathon bzw. HM-Renntempo und höher gesteigert sind, um im ermüdeten Zustand, Stoffwechsel und Koordination an die Wettkampfbelastung heranzuführen.

Um das hier vorrangige Trainingsziel „Verbesserung des Fettstoffwechsels“ zu erreichen, ist mindestens 60- bis 90-minütiger Verbleib im niedrigen Geschwindigkeitsbereich Voraussetzung. Weitere Zielsetzungen sind Ökonomisierung der Herz-Kreislaufarbeit, Entwicklung der Laufökonomie im niedrigen Geschwindigkeitsspektrum (ST-Fasern) und die allg. Stabilisierung des Grundlagenausdauerniveaus.

MDL – Mittlerer Dauerlauf
Die Basiseinheit des Langstreckenläufers schlechthin über eine Streckenlänge von 12 bis 17 km im Bereich 2-3 mmol/l Laktat. Für den 33-Minuten-Läufer sollte ein Geschwindigkeitsbereich von 4:00 bis 4:19/km realisiert werden.

Je kürze die Strecke desto zügiger kann das Tempo gewählt werden. Punktuell kann natürlich auch ein längerer Lauf im hohen Geschwindigkeitsbereich absolviert werden. Gesteigerte Formen finden ebenso Anwendung, genauso wie Läufe mit Zwischensteigerungen hin zum 5 km-Wettkampftempo über 100 bis 200 m.

Neben der Stabilisierung des Leistungsniveaus, trainieren diese Einheiten die Bereitstellung des aeroben Energiestoffwechsel-Mix (Glykolyse und Lipolyse). Weil nach dem Training weder Energiesubstrate noch der Nerv-Muskel-Sehnen-Apparat übermäßig beansprucht werden, sind die Regenerationszeiten (Link) kurz. Die Einheit ist (theoretisch) täglich durchführbar.

AAS – Tempoläufe an der aerob-anaeroben Schwelle (AANS)
Tempodauerläufe im Halbmarathonrenntempo (3:25-3:29/km) über eine Streckenlänge von 6-10 km stellen ein typisches und wirksames Belastungsbeispiel dar. Auch die Intervallmethode kann eingesetzt werden. Zum Beispiel 4x 2 km (3:20-3:25/km) mit 2-3 min Trabpause. Je nach Intensität und individueller Laktatkinetik werden Laktatkonzentrationen von 4-6 mmol/l erreicht.

Physiologische Reaktionen äußern sich in der Weiterentwicklung des Herzkreislauf-Systems (Ökonomisierung Herzarbeit, Kapitalisierung), des Energiestoffwechsels (Anheben der aerob-anaeroben Schwelle, aerobe Kapazität, Glykogendurchsatzrate) und der Koordination (Bewegungsstereotyp, erweiterte Faserrekrutierung).

Speed I (1.000 m)
Zur Entwicklung der VO2max und anaeroben Kapazität (weiteres Anheben der ANS, physiologische und mentale Gewöhnung an zunehmend anaerobe Beanspruchungen) eignen sich Läufe über 1.000 m Streckenlänge (5-8x) in 3:12-3:14/km (etwas zügiger als 10 km-RT) mit jeweils 400 m Trabpause (2-3 min).

Speed II (800 m)
Noch etwas zügiger gelaufene 800m-Abschnitte zur Entwicklung der maximalen Sauerstoffaufnahme und Schulung der Laktatproduktion und –elemination bei und durch Zuschaltung weiterer FT-Fasern. Typische Einheit: 5-6x 800 m (2:26-2:33 <= 5 km-RT) mit 400 m Geh- oder Trabpause (2 min).

Speed III (400 m)
Z.B. 10x 400 m (1:04-1:09) mit 400 m Trabpause schulen vornehmlich Koordination (Bewegungstechnik, Laufökonomie), anaerobe Kapazität (Laktatproduktion und –elemination → Pufferkapazität, Säuretoleranz + kurzfristige Erholungsfähigkeit) sowie mentale Fähigkeiten in Form von Leidensfähigkeit und Willensleistung.

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