Samstag, 29. Januar 2011

Fettstoffwechseltraining: Eine Episode voller Missverständnisse

In dieser Woche inspirierten mich zwei Alltagsbeobachtungen zum heutigen Beitrag: Zum einen bin ich momentan von nicht wenigen Leuten umgeben, die sich für dieses Jahr eine deutliche Körpergewichtsreduktion zum Ziel gesetzt haben. Vornehmlich sollen die Fettdepots dahin schmelzen. Natürlich nicht die Muskeln. Die „Guten Vorsätze“ eben. Neben ästhetischen Aspekten, steht in Läuferkreisen, auch die Absicht dahinter, durch Diät die Laufleistung voranzubringen. Die Akteure sind dabei oft noch nicht einmal übergewichtig.

Zum anderen fällt mir beim Durchblättern einschlägiger Laufzeitschriften immer wieder auf, wie auf neue Trainings- und Ernährungsgeheimnisse im Rahmen der Mission „Fett weg“ beschworen werden. Ob „Fatburning-Training,“ Ernährungsstrategien, Werbeanzeigen für Nahrungsergänzungsmittel oder Abnehmkuren. Das Thema hat Bedeutung. Doch die Verwirrung, was die Funktionsweise und Zielsetzung des Fettstoffwechsel(training)s angeht, ist nach wie vor groß.

Der Einsatz eines gezielten und regelmäßigen Fettstoffwechseltrainings macht im Kern für zwei Zielsetzungen Sinn: Erstens beim Steigern der aeroben Leistungsfähigkeit, insbesondere bei Langzeitausdauerbelastungen. Gewichtsreduktion ist nicht primäres Ziel, oft aber Nebeneffekt. Zweitens als unterstützende Maßnahme zur absichtsvollen Reduktion des Körpergewichts (Diät).

Ein Marathonläufer profitiert von einem optimierten Fettstoffwechsel dahingehend, dass die Glykogenspeicher (Speicherform von Glukose) in Training und Wettkampf stärker geschont werden. Hohe Laufgeschwindigkeiten erfordern eine hohe Energieflussrate pro Zeiteinheit. Beim Untrainierten greift der Körper dabei überwiegend auf die in der Muskulatur gespeicherte Glukose. Diese kann gegenüber Fettsäuren (Speicherform: Triglyzeride) schneller bereitgestellt werden. Aufgrund der begrenzten Glykogenspeicher in Muskulatur (und Leber) reichen die Vorräte maximal für zirka 90 Minuten aus (bei Beanspruchung unterhalb der anaeroben Schwelle).

Wichtig: Fettsäuren und Zucker werden immer und synchron verstoffwechselt. Die relativen Anteile an der Energiebereitstellung verschieben sich mit steigender Intensität Richtung Glykogennutzung. Erst bei hohen Laktatkonzentrationen, jenseits der anaeroben Schwelle, kommt die Fettoxidation zum Erliegen. In Ruhe hingegen werden überwiegend Fette genutzt, aber mit geringem absoluten Energieumsatz.

Ein trainierter Fettstoffwechsel (Fette liefern etwa die Hälfte der Energie pro Zeiteinheit) schont somit die Glykogenvorräte, weil auch bei höheren Geschwindigkeiten ein Beitrag zum Energiebedarf beigesteuert werden kann. Das ist im Marathonwettkampf ein großer Vorteil. Die Belastungszeit liegt ja bei mehreren Stunden. Die Kohlenhydrataufnahme im Wettkampf lässt sich dennoch nicht vermeiden, wenn es darum geht eine maximale Leistung abzurufen.

Beim Ziel „Abnehmen“ kann ein Fettstoffwechseltraining die Gewichtsreduktion unterstützen. Unter dem Strich zählt hier aber eine negative Kalorienbilanz. Wie die erreicht wird ist theoretisch nebensächlich. Hohe Trainingsintensitäten erhöhen den Energieumsatz pro Zeiteinheit. Hypothetisch betrachtet ist es am günstigsten, alle Trainingseinheiten mit maximaler Intensität durchzuführen. Das wird in der Praxis natürlich nicht funktionieren, weil dann anaerobe Stoffwechselvorgänge zu Enzymvergiftung und Belastungsabbruch führen. Nach max. 1 Minute. Da werden in der Summe kaum Kalorien verbrannt.

Es macht also Sinn geringere Intensitäten zu wählen. Auch aus motivationalen und verletzungspräventiven Gründen. Bei Zeitknappheit kann es durchaus sinnvoll erscheinen z.B. eine kurze, aber intensive Laufeinheit von 30 bis 45 Minuten Länge, bei 80-90% der maximalen Herzfrequenz, zu absolvieren. Es geht ja um den optimierten Kalorienumsatz. Diese Variante hat allerdings nichts mit Fettstoffwechseltraining im trainingswissenschaftlichen Sinn zu tun. Der relative Anteil ist sehr gering. Den v.a. intensiven Belastungen zugeschriebenen, sog. „Nachbrenneffekt“ mal  außen vorgelassen.

Asker Jeukendrup, ein weltweit führender Sportphysiologe und Ernährungsexperte der Universität Birmingham, hat die größten Einflussfaktoren auf den Fettstoffwechsel für einen Vortag zusammengefasst:

Belastungsintensität
Ausgehend vom Ruhezustand erhöht sich die absolute Fettoxidationsrate zunächst hin zu moderaten Belastungen auf bis zu 0,6 g/min. Die maximale Fettoxidation (Lauf) wird bei Intensitäten zwischen 61-63% der maximalen Sauerstoffaufnahme oder bei 70-75% der maximalen Herzfrequenz beobachtet. Das ist erstaunlicherweise jener Bereich, in welchem Marathonläufer, den „langen Lauf“ (bis zu 35 km) Länge durchführen. Darüber hinaus sinkt die Rate zunächst moderat ab. Ab 85% der maximalen Herzfrequenz fällt die Kurve steiler ab. Das ist i.d.R. der Bereich am Rand der anaeroben Schwelle.

Weitere Erkenntnisse sind, dass es starke interindividuelle Unterschiede gibt, was die Intensität am Punkt der maximalen Fettstoffwechselrate betrifft. Was für die Praxis dennoch unerheblich ist: Hohe Fettstoffwechselraten werden über ein breites Intensitätsspektrum festgestellt, die im Bereich zwischen 65 und 75% der maximalen Herzfrequenz liegen (vgl. Abbildung). In der Praxis gibt es nicht DIE Fettstoffwechsel-Trainingsintensität ("Fatburning!"), schon gar nicht ausgedrückt in pauschalen Angaben, die Trainingszustand, Sportart, Geschlecht, u.ä. außen vor lassen (siehe nachstehend).
Zusammenhang von Fettoxidation und Belastungsintensität nach Jeukendrup (http://tinyurl.com/6f5b542)

Ernährung

Die Aufnahme von Kohlenhydraten vor dem Training kann den Fettstoffwechsel, aufgrund erhöhter Insulinausschüttung, negativ beeinträchtigen. Um bis zu 35% geringere Fettoxidationsraten werden beobachtet. Der Effekt kann bis zu 8 Stunden andauern. Stehen intensive Inhalte auf dem Programm, ist eine (protein- und) kohlenhydratreiche Kost praktisch unverzichtbar, um die absolute Leistungsfähigkeit zu erhalten (Trainingsqualität) und Regenerationsprozesse nicht zu gefährden.

Nach Übernachtfasten (also nach dem morgendlichem Aufstehen) ist der Fettstoffwechsel besonders aktiv. Deshalb kann es für Ausdauersportler u.U. ratsam sein, morgens und auf nüchternem Magen (ein Glas Wasser darf man selbstverständlich trinken), ein moderates 30 bis 45-minütiges Ausdauertraining durchzuführen. Darüber hinausgehend ist eine Kohlenhydrataufnahme sinnvoll. U.a. auch um katabole, also Strukturprotein abbauende, Effekte zu vermeiden.

Belastungsdauer
Diese ist ein Schlüsselfaktor zum Abnehmen. Erst andauernde moderate Belastungen erzeugen hohe absolute Energieumsätze (auch im Vergleich zu kurzen Intensiven, die bei Zeitmangel, wie oben beschrieben, sinnvoll sein können). Mit der Belastungsdauer (bei gleichbleibender Intensität) erhöht sich der Fettstoffwechselanteil nochmals ein wenig. Nach zirka 60 Minuten Belastungszeit hat eine Kohlenhydrataufnahme keinen negativen Effekt auf die Fettstoffwechselrate.

Geschlecht
Über die gesamte Intensitätsbandbreite verstoffwechseln Frauen anteilig mehr Fette. Der Punkt der höchsten Fettstoffwechselrate liegt bei einer höheren relativen Intensität.

Umwelt
Hitze und Höhe mindern die Fettstoffwechselaktivität. Das ist u.a. ein Grund, weshalb unter jenen Bedingungen eine erhöhte Kohlenhydrataufnahme vor, während und nach dem Training angeraten wird.

Regelmäßigkeit
Erst regelmäßiges Training führt zu nachhaltigen Verbesserungen des Fettstoffwechsels. Das betrifft Prozesse wie Enzymbildung, Mitochondrienwachstum und Blutzirkulation. Nach 6 bis 10 Wochen Training kann von einem neuen Anpassungsniveau ausgegangen werden. An diesen Zeiträumen orientieren sich ja auch die üblichen Trainingsabschnitte. Was auch deutlich wird: Beim Abnehmen ist im wahrsten Sinne Ausdauer gefragt. Denn bei den gemessenen Oxidationsraten von 0,5g Fett/min sind folglich 33 Stunden Training (bei entsprechender Intensität) vonnöten, um 1 kg Körperfett zu verbrennen.

Nährstoffaufnahme

Vielen Substanzen wird eine regelrechte "Fatburning"-Wirkung zugeschrieben. Da wären Carnitine, Koffein, Capsaicin, Guarana, Gingseng oder Polyphenole im Grünen Tee uvm. Es hat sich eine ganze Nahrungsergänzungsmittelindustrie entwickelt. Eine Metanalye ergab, dass einzig für Koffein (auch im Grünen Tee) wissenschaftliche Evidenz für positive Effekte auf den Fettstoffwechsel gefunden wurden. Natürlich auch abhängig von Dosierung, Gesamternährungsstrategie und Belastungsmodus. Es ist in jedem Fall in Frage gestellt, ob die morgendliche Tasse Kaffee einen Effekt auf den Fettstoffwechsel hat (auch wenn sie einfach gut tut). Das Gesamtergebnis ist jedenfalls ernüchternd.

Wenn ich zum Thema ein wenig zur Aufklärung beitrageb konnte, dann freue ich mich. Wenn nicht, könnt Ihr mir jederzeit Eure Fragen stellen. Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende!

4 Kommentare :

  1. Hallo

    Aus welcher Studie ist dieser Satz:

    Nach zirka 60 Minuten Belastungszeit hat eine Kohlenhydrataufnahme keinen negativen Effekt auf die Fettstoffwechselrate.

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  2. Entschuldige, der Link zur Studie ist nicht mehr aktiv. Nehme ihn raus. Im Grundlagenwerk von Jeukendrup wirst Du aber fündig: http://bit.ly/RbnhLt Wenn Dir die Info nicht reicht, dann gebe mir kurz Bescheid.

    Viele Grüße,
    Patrick

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    1. Hi, merci, d.h. also dass man nach 60 min richtig zulangen kann, ohne dass der Fettstoffwechsel runtergefahren wird ? Hab ich jetzt noch nie so gelesen sonst. Wenn ich fürs Rennrad optimal Fettstoffwechsel trainieren will mit GA1, dann hatte ich immer Malto dabei in der Flasche. Aber viele sagen, dass sei kontraproduktiv. Weiss nur, dass es vermehrt Heissunger gibt am Ende der Einheit, wenn ich nur Wasser dabei hatte (2-3 h GA1).

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    2. Die Erkenntnis ist tatsächlich nicht neu. Die Aufnahmemenge pro Zeiteinheit bezieht sich auf Größenordnungen zwischen 40 bis max. 60 g KH/h (in Wasser gelöst). Dadurch lassen sich auch Trainingsqualität und Erholungsfähigkeit erhöhen.

      In der Praxis weit verbreitet ist die von Dir beschriebene Vorgehensweise - auch im Marathontraining. Ohne KH-Aufnahme fühlt man sich ohne Zweifel belasteter - körperlich wie mental. Offensichtlich ist der Grad der subjektiv erlebten Erschöpfung nicht maßgeblich für den Adaptationserfolg.

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