Samstag, 19. Juni 2010

Auf dem Leistungsplateau und keine gute Aussicht?

Diese Woche ist ein nennenswerter Beitrag von US-Buchautor und Läufer Matt Fitzgerald auf den Seiten von competitor.com erschienen. Er beschäftigt sich mit trainingsmethodischen Maßnahmen, um Plateaueffekte (= Leistungsstagnation), die sich bei fast allen Läufern mit gleichförmigen Trainingsinhalten einstellen, aufzubrechen.

Ich möchte den Beitrag hier aufgreifen und mit meinen Erfahrungen ergänzen. Gerade sehr ehrgeizige LäuferInnen haben die Tendenz, zu umfangreich, zu intensiv aber auch zu monoton zu trainieren, so dass im Zeitverlauf die Leistung stagniert – und zwar nicht alterbedingt. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, werden Trainingsumfang und Intensität weiter gesteigert.

Typische Ursachen für Leistungsstagnation sind:
  • Unausgewogenheit zwischen Belastung und Erholung im Zeitverlauf: zwischen Trainingseinheiten, im Meso- und Makrozylus (Regeneration und Periodisierungsaufbau)
  • zu lange, intensive Trainingsetappen (> 8 Wochen), kurzzeitiges Adaptionspotential ist ausgeschöpft
  • zu hohe Gesamtumfänge während intensiver Trainingsetappen
  • zu hohe Laufgeschwindigkeit im GA2-Training
  • zu hohe Laufgeschwindigkeit im REKOM-Training und bei lockeren Dauerläufen (GA1)
  • Belastungsmonotonie (geringe Spannbreite in Laufgeschwindigkeiten, Methodeneinsatz) und fehlende, bewusste Schwerpunktbildung in den Trainingsetappen
  • zu schnell aufeinanderfolgende Wettkampfserien (Bspw. Vier 10 km-Wettkämpfe innerhalb von drei Wochen, z.T. ohne ausreichende kompensatorische Maßnahmen)
  • Lebensstil: Verhältnis berufliche und private Beanspruchung samt Schlafverhalten und Ernährung
Fehler im Trainingsaufbau lassen sich recht einfach durch eine gezielte und auf die Schwerpunkte der Etappe gerichtete Trainingsplanung und -Kontrolle (z.B. durch einen erfahrenen Trainer, Trainingstagebuch o.ä.) beheben.

Bei mehrwöchigen und zu hohen Trainingsumfängen, sollte das Trainingsvolumen deutlich, unmittelbar und über mind. 2 Wochen um 30-40% reduziert werden. Das zeitweilige Einsetzen von Cross-Training (z.B. Rennradfahren, Cross-Stepper) schont den Bewegungsapparat und erhöht das laufspezifische Adaptionspotenzial in der Folgezeit. Solltest Du über 6 Wochen hochintensiv und rein laufspezifisch trainiert haben, können zirka 10 bis 14-tägige und schwerpunktmäßige GA1-Trainingsblöcke auf dem Rennrad (60-70% des Gesamtvolumens), das Anpassungspotenzial für die Folgezeit erhöhen.

Natürlich: Die Ursachen der Leistungsstagnation sind für jeden Einzelfall ausfindig zu machen. Liegt ein Trainingsprotokoll vor, lassen sich Nachforschungen recht gut anstellen. Das Thema ist allerdings zu komplex, um Patentrezepte für einen optimalen Trainingsaufbau an dieser Stelle darzustellen.

Stattdessen möchte ich einige Variationen für das tägliche Training anbieten, um Leistungsstagnation durch Trainingsmonotonie zu vermeiden. Dazu haben die Maßnahmen einen positiven Effekt auf die Trainingsmotivation. Die jeweilige Dosierung und Aneinanderreihung erfordert allerdings ein wenig Trainingswissen:

regelmäßiges Sprint- und spezifisches Krafttraining (neuronale Aktivierung)
  • nach dem Lauf-ABC, diverse Sprintserien (z.B. 5x 40 m mit je 2‘ Pause, 6‘ Serienpause, 5x 60 m mit je 2‘ Pause, Einheit immer im ausgeruhten Zustand absolvieren)
  • Sprunglaufserien über 50 m (5x mit je 3‘ Pause)
  • Steigerungsläufe über 100 m mit 100 m Geh- oder Trabpause (z.B. 10x)
  • div. Sprungformen (einbeinig, beidbeinig aus Hocke, L-ABC Übungen = frequenzorientiert)
Lange Läufe variieren
  • Standarddistanz im hügeligen Gelände laufen
  • im langsamen Dauerlauftempo starten und alle 15 bis 20 Minuten die Geschwindigkeit steigern, so dass die letzten 15 Minuten im Halbmarathonrenntempo absolviert werden (wichtig: drei Viertel der Belastung sollten deutlich unterhalb der anaeroben Schwelle gelaufen werden, wenn das Trainingsziel "Aktivieren des Belastungsfettstoffwechsels" erhalten bleiben soll).
  • kontinuierliche Streckenverlängerung im 3:1 Wochenrhythmus (25 km – 28 km – 31 km – 20 km – 28 km usw.) oder Geschwindigkeitsaufbau bei konstanter Streckenlänge (25 km in 4:10/km, 4:05/km, 4:00/km über 3 Wochen, danach REKOM + Streckenverlängerung)
  • langsamer kontinuierlicher Dauerlauf mit 3-10 km Endbeschleunigung im Marathon bis Halbmarathon-Renntempo (z.B. 25 km LDL mit 4 km Endbeschleunigung)
  • Geschwindigkeitsspektrum erweitern: langsame Dauerläufe zeitweilig überbetont langsam laufen, um Frische für intensive Trainingsanteile zu behalten
mittelschnelle Dauerläufe variieren
  • Lauf über 15 km: 10x 100m Steigerungsläufe (z.B. im 5 km Renntempo) nach jedem Kilometer gleichmäßig einstreuen, oder auf den letzten 3 km (Museklfaseraktivierung bei einsetzender Ermüdung)
  • 5 Minuten Abschnitte im Halbmarathonrenntempo einbauen (z.B. nach 3 km einlaufen, 3x 5’mit 3‘ Trabpause, danach locker weiterlaufen)
  • jeden 4. mittelschnellen Dauerlauf zirka 15-20‘/km schneller laufen
  • mittelschneller Dauerlauf mit 90‘‘ Endbeschleunigung im 3 km-Wettkampftempo
Variationen im GA2-Training
  • Klassische Tempodauerläufe und Intervalltrainingseinheiten werden erfahrungsgemäß wenig in Streckenlänge und Geschwindigkeiten innerhalb einer Einheit variiert. Führe deshalb jede 3. bis 4. Tempoeinheit als Variation durch:
  • ersetze den Tempodauerlauf (z.B. 8 km im HM-Renntempo) durch ein Fahrtspiel mit gleichen bzw. leicht gesteigerten Geschwindigkeiten, aber unterschiedlichen Abschnittslängen (3‘-5‘-7‘-5‘-3‘ mit je 2‘ Trabpause) oder ansteigend (3‘-5‘-7‘-9‘ mit je 2‘ Trabpause)
  • Intervalltraining Bahn: 1.600 m – 1.200 m – 1.000 m – 800 m – 600 m – 400 m – 200 m (gesteigerte Geschwindigkeiten von 10 km Renntempo bis 400 m Renntempo)
  • laufe jede letzte (und vorletzte) Wiederholung eines Intervalltrainings mit 200 bis 400 m Endbeschleunigung bis hin zum Sprint (z.B. 6 bis 8x 1.000 m im 10 km Renntempo bzw. 2—3 Sekunden zügiger. So werden die Endspurtfähigkeiten verbessert
  • Ersetze je 4. Einheit zur Entwicklung der maximalen Sauerstoffaufnahme (z.B. 6x 800 m im 5 km Renntempo) durch Berganläufe über 2' (10x mit 3‘ Trabpause), je weiter die Hauptwettkämpfe entfernt desto günstiger der Zeitpunkt dafür
Crosstraining
  • führe REKOM-Einheiten regelmäßig sportartunspezifisch aus: z.B. 30-45’ Rennradheimtrainer mit hoher Trittfrequenz (> 100/min): Alternativ: Cross-Trainer im Fitnessstudio oder Schwimmen
  • ersetze jeden 4. langen Dauerlauf durch eine frequenzorientierte extensive Radausfahrt (mind. 3 Stunden um einen 25 bis 30 km-Lauf zu ersetzen). Je weiter der Hauptwettkampf entfernt, desto günstiger. Unmittelbar vor einem Marathon (< 6 Wochen) solltest Du alle langen Einheiten laufspezifisch durchführen (Anpassung passiver Bewegungsapparat!)
Die Variationsmöglichkeiten über Geschwindigkeit, Länge, Streckenprofil und Trainingsmittel sind vielfältig. Das soll aber nicht heißen, dass bewährte Inhalte zu vergessen sind. Wie so oft: der Mix macht's.

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