Donnerstag, 1. November 2012

Mit den richtigen Zielen glücklich durch's Ziel

Leistungs- und Wettkampfsport ist zielgerichtet. Jene laufsportlichen Ziele treten in Gestalt von Zeit- und Platzierungszielen, relativen Komponenten wie "schneller sein als ..." oder dem Erreichen eines subjektiven Ausbelastungsgrades "Heute alles geben ...") u.ä. auf.

Man bemerkt schnell, dass im Laufsport Zeitziele den höchsten Stellenwert haben. Das ist nicht verwunderlich, denn schließlich gilt es im Leistungssport darum, die eigene Leistungsfähigkeit zu steigern. Die Zeit für eine zurückgelegte Strecke ist nun einmal das physikalische Maß der Leistungsfähigkeit und Leistungskriterium in einem Wettkampf.

Weil sich die Leistungsfähigkeit über die Jahre hinweg nicht linear entwickeln lässt, sind Leistungsrückgänge, auch Planmäßige, unvermeidlich. "Leistungsbremser", wie Krankheiten, weniger verfügbare Trainingszeit, Alterungsprozesse etc. gesellen sich hinzu.

Die Tendenz der Fixierung auf ein singuläres Ziel, in Form einer angestrebten Zeit kann damit in ein Dilemma führen. Der übliche Hergang: ein Zeitziel wird verfehlt, ein unverhältnismäßig hartes Training schließt sich dem an, die Leistung stagniert abermals, Zweifel am Trainingssansatz entstehen, aktionistische Trainingsexperimente schließen sich dem an, wieder klappt's nicht ...

Wohl spätestens nach dem 2. Durchlauf einer solchen Erfahrungskette schwindet der Glaube an die Sinnhaftigkeit des sportlichen Handelns. Der Dropout vom Leistungssport liegt nahe, insofern der Athlet nicht die Ruhe behält oder ein fachkundiges Umfeld gegensteuern kann.

Jennifer van Allen, Redakteurin der US-amerikanischen Ausgabe von Runner's World hat für eine solche Phase einen Kniff parat, den man für banal halten könnte, dessen Wirksamkeit dadurch aber nicht gemindert ist: routinemäßige, mehrdimensionale Zielsetzungen.

Zeitbezogene Zielstellungen sind auf lange Sicht immer ein Hauptantrieb des Laufsportlers. Doch gerade in Phasen, in denen das Leistungsvermögen aus verschiedenen Gründen vermindert ist, wird die Fokussierung auf Zielalternativen wichtig.

Nach mehreren leidvoll gescheiterten Angriffen auf die Bestzeit, bspw. mit großen Zeitverlusten im letzten Teil eines Rennens (womöglich auch mit Rennaufgabe), könnte eine alternative Zielstellung lauten: ein Rennen mit hoher und gleichmäßiger Anstrengung beenden, ohne Beachtung der Zwischenzeiten. Auf den letzten 400 m wird eine deutliche Tempoerhöhung umgesetzt.

So ein Ziel ist in dieser Phase subjektiv bedeutungsvoll und (wiederer-)stärkt den Glauben an die Selbstwirksamkeit. Die Freude am Wettkämpfen bleibt tendenziell erhalten. Nebeneffekt: der abgeschlossene Wettkampf ist zugleich ein guter Trainingsreiz.

Nach guter und sinnhafter Trainingsphase können zunehmend messbare Ziele angesteuert werden. Im Trainingsprozess ist das schon meist der Fall, denn i.d.R. werden die Intensitäten des Lauftrainings über Geschwindigkeitsangaben gesteuert. Ob ein großes Zeitziel "reif" ist, lässt sich nach van Allen über Prognose-Einheiten absehen:

Für einen 10 km-Läufer gilt 2 Wochen vor dem Hauptwettkampf: Wird die Einheit 5x 1,6 km (= 1 Meile) im angestrebten 10 km Wettkampftempo mit 1:15 min Trabpause ohne Geschwindigkeitseinbuße bewältigt, so ist das Zeitziel realistisch. Hierzulande ist die Einheit 4x 2 km mit 2 min Trabpause weit verbreitet.

Bewährt hat sich auch das Festlegen von Zeitziel-Fenstern, die auf eine Bestzeit hinsteuern. Lautet das Ziel 33 min auf 10 km, so könnten die Haupzielstellung in einem Wettkampf 4 Wochen zuvor lauten: 33:40 bis 33:20 min (unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen von Training und Wettkampf).

Läuft es in jenem Rennen deutlich schlechter, sollte der Fokus vom Zeitziel wegdrehen und auf die subjektive Ausbelastung gerichtet werden (Alles geben, was heute geht ...) oder - abhängig vom Rennverlauf - auf die Platzierung ("Platz 4 halten", "am Mitstreiter unbedingt dranbleiben").

Die Möglichkeiten sind mannigfaltig, aber nicht beliebig. Wichtig ist, dass leistungssportlich orientierte Läufer mehrere bedeutungsvolle und realisierbare Ziele in petto haben, die mittelfristig zur gewünschten Leistungsentwicklung (= Zeitziel) beitragen. Wie geht Ihr mit Euren Zielen um, wenn es mal nicht so "läuft"?

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