Wo außergewöhnliche sportliche Leistungen erzielt werden, da befinden sich potenzielle Vorbilder im Hinblick auf das eigene sportliche Handeln - den Profiradsport in diesen Tagen einmal ausgenommen. Und da ist ebenso die Neugier bei der Ergründung des Erfolgs nachvollziehbar. Folglich hat sich die Sportwissenschaft in den letzten 20 Jahren dem Thema verstärkt angenommen. Ostafrikanische Spitzenläufer sind eine gefragte, aber auch logistisch schwer zu organisierende Probandengruppe.
Bisherige Studien waren bis dato selten von hoher Aussagekraft, determiniert schon allein das Studiendesign die Güte der Ergebnisse maßgeblich. Als Resultat der geltenden Medienlogik existieren dennoch etliche Schlagzeilen, die das Geheimnis eines sagenumwobenen Läufervolkes gelüftet haben wollen.
Und so könnte man aus einer jüngst im European Journal Of Applied Physiology veröffentlichten Studie aus Japan, die schnelle Schlußfolgerung ziehen, dass sich die Dominanz kenianischer Läufer über eine einzige anthropometrische Größe erklärt: die Länge der Achillessehne.
Die Untersuchung im Kurzüberblick: Es wurden ausgewählte biomechanische Eigenschaften des Muskel-Sehnen-Apparats (Unterschenkel) von 10 männlichen kenianischen Elite-Läufern mit einer Kontrollgruppe, bestehend aus 10 hellhäutigen untrainierten Läufern, verglichen. Die Gruppen wurden auf Körpergröße gematcht: Sie unterschieden sich nicht signifikant. Beide Gruppen absolvierten Sprungübungen mit maximaler Beanspruchung.
Die signifikanten Hauptunterschiede hat Dr. Ross Tucker von "The Science of Sport" in nachstehender Tabelle hervorgehoben:
Die Ergebnisse bringen zum Ausdruck, dass
- die ausgewählten kenianischen Läufer knapp 7 cm längere Achillessehnen haben,
- zwischen sie zwischen den Sprüngen kürzere Bodenkontaktzeiten erzielen,
- die Flugzeit länger ist,
- weil sie eine größere Sprunghöhe erreichen,
- die Sprungleistung (W) vergleichsweise größer ist
Welche Schlagzeile lässt sich daraus ableiten?
"Geheimnis gelüftet: Mit ihren Mega-Sehnen springen Kenias Läufer von Sieg zu Sieg"
Nein, so vorschnell sollte keine Sportredaktion diese Formulierung wählen. Für eine nüchterne Bewertung bietet es sich an, einen Blick auf das Studiendesign zu werfen. Wer wurde hier eigentlich miteinander verglichen? Nun, wie beschrieben kenianische Elite-Läufer mit hellhäutigen Nicht-Sportlern.
Gegen die treten die Kenianer im Wettkampf nicht an. Allein dadurch ist die Wert des Ergebnisses eingeschränkt. Hinzu kommt, dass allein Grad der Trainiertheit die Ausprägung der Messgrößen Kontaktzeit und Kraftentwicklung erklären kann (genauer: die Kraftentwicklung im Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus).
Gegen die treten die Kenianer im Wettkampf nicht an. Allein dadurch ist die Wert des Ergebnisses eingeschränkt. Hinzu kommt, dass allein Grad der Trainiertheit die Ausprägung der Messgrößen Kontaktzeit und Kraftentwicklung erklären kann (genauer: die Kraftentwicklung im Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus).
Und ist es nicht wahrscheinlich, dass annähernd gleichwertig gute, hellhäutige Läufer, wie Galan Rupp, Chris Solinksy oder Ryan Hall ähnliche biomechanische Eigenschaften mitbringen - inkl. außergewöhnlicher Sehnenlängen?
Die Krux liegt zweifelsohne in der Zusammenstellung der Untersuchungsgruppen. Dabei ist der Fairness halber zu betonen, dass die Absicht der Studie explorativer Natur ist und keine ganzheitliche Lösung präsentieren sollte.
Für weiterführende Schlussfolgerungen hätten annähernd leistungsgleiche Gruppen verglichen werden müssen. Interessant wäre es zudem ostafrikanische Völker untereinander zu vergleichen. Mangels hinreichender Verfügbarkeit von hellhäutigen Spitzenläufern ist der Vergleich zweier homogener Gruppen praktisch nicht umzusetzen.
Insofern sich keine Untersuchungsgruppen aus Leistungseliten zusammenstellen lassen, wäre die Unterscheidung zwischen untrainierten, körperlich ähnlich gebauten Ostafrikanern und Europäern / Nordamerikanern (Sprungleistungen / anthropometrische Merkmale) ein alternativer Schritt - ähnliche Lebensstile vorausgesetzt.
Die Frage lautet: Liegt eine breite genetische Disposition vor oder lässt sich der Unterschied zum Großteil über Trainingseffekte erklären. Und selbst wenn ein Unterschied festgestellt werden würde: In welchem Ausmaß erklärt er die Überlegenheit ostafrikanischer Eliteläufer?
Denn Tatsache bleibt, dass sportliche Spitzenleistung ein komplexes Phänomen ist und somit kein einzelnes Erfolgsgen existiert. Im Laufsport wirkt bekanntermaßen eine Bandbreite unabhängiger sowie miteinander verwobener Leistungsprädiktoren, wie Laufökonomie, maximale Sauerstoffaufnahme, Laktatschwellengeschwindigkeiten, Enzymaktivität im Energiestoffwechsel, Trainingsmethodik, Lebensstil, Ernährung, Körperbau, mentale Leidensfähigkeit und auch die Länge der Achillessehne - um nur eine Auswahl zu benennen.
Doch was erklärt die besondere Leistungsfähigkeit der Ostafrikaner?
Eine Hypothese lautet, dass in der kenianischen Bevölkerung eine hohe, für Ausdauerleistungen günstige genetische Prävalenz vorhanden ist, die durch kulturelle Tradition und Förderung des Laufsports eine großen Zahl Spitzenleistungen begünstigt.
Prävalenz meint ausdrücklich nicht einzigartige, genetische Eigenschaften, denn alle Menschen sind mit den gleichen "Bauteilen" ausgestattet. Prävalenz meint eine mehrfaktorielle, genetische wie auch psycho-soziale Konfiguration, die herausragende Ausdauerleistungen zu Tage bringt. Diese These wirkt schlüssig, konnte bisher jedoch nicht ausreichend untersucht werden. Ein solches Vorgaben ist arg komplex, langwierig und kostenintensiv.
Die Ergebnislage soll sich in den kommenden Jahren ändern. Nicht auszuschließen ist ferner, dass unterschiedliche Konfigurationen einen erfolgreichen Läufer machen. Welche das sind und inwieweit wir Europäer die Erkenntnisse aktiv nutzen können, bleibt abzuwarten.
Mein Fazit: Schlagzeilen, welche die Überlegenheit ostafrikanischer Läufer zum Ausdruck bringen, sind mit Vorsicht zu genießen. Es gibt ohne Zweifel plausible Erkenntnisse, die Erklärungsansätze bieten. Eine komplexe Funktion, die alle wichtigen Voraussetzungen für den läuferischen Spitzenerfolg abbildet, ist noch in weiter Ferne. Aber glücklicherweise nicht soweit, wie die allumfassende Weltformel.
Die Krux liegt zweifelsohne in der Zusammenstellung der Untersuchungsgruppen. Dabei ist der Fairness halber zu betonen, dass die Absicht der Studie explorativer Natur ist und keine ganzheitliche Lösung präsentieren sollte.
Für weiterführende Schlussfolgerungen hätten annähernd leistungsgleiche Gruppen verglichen werden müssen. Interessant wäre es zudem ostafrikanische Völker untereinander zu vergleichen. Mangels hinreichender Verfügbarkeit von hellhäutigen Spitzenläufern ist der Vergleich zweier homogener Gruppen praktisch nicht umzusetzen.
Insofern sich keine Untersuchungsgruppen aus Leistungseliten zusammenstellen lassen, wäre die Unterscheidung zwischen untrainierten, körperlich ähnlich gebauten Ostafrikanern und Europäern / Nordamerikanern (Sprungleistungen / anthropometrische Merkmale) ein alternativer Schritt - ähnliche Lebensstile vorausgesetzt.
Die Frage lautet: Liegt eine breite genetische Disposition vor oder lässt sich der Unterschied zum Großteil über Trainingseffekte erklären. Und selbst wenn ein Unterschied festgestellt werden würde: In welchem Ausmaß erklärt er die Überlegenheit ostafrikanischer Eliteläufer?
Denn Tatsache bleibt, dass sportliche Spitzenleistung ein komplexes Phänomen ist und somit kein einzelnes Erfolgsgen existiert. Im Laufsport wirkt bekanntermaßen eine Bandbreite unabhängiger sowie miteinander verwobener Leistungsprädiktoren, wie Laufökonomie, maximale Sauerstoffaufnahme, Laktatschwellengeschwindigkeiten, Enzymaktivität im Energiestoffwechsel, Trainingsmethodik, Lebensstil, Ernährung, Körperbau, mentale Leidensfähigkeit und auch die Länge der Achillessehne - um nur eine Auswahl zu benennen.
Doch was erklärt die besondere Leistungsfähigkeit der Ostafrikaner?
Eine Hypothese lautet, dass in der kenianischen Bevölkerung eine hohe, für Ausdauerleistungen günstige genetische Prävalenz vorhanden ist, die durch kulturelle Tradition und Förderung des Laufsports eine großen Zahl Spitzenleistungen begünstigt.
Prävalenz meint ausdrücklich nicht einzigartige, genetische Eigenschaften, denn alle Menschen sind mit den gleichen "Bauteilen" ausgestattet. Prävalenz meint eine mehrfaktorielle, genetische wie auch psycho-soziale Konfiguration, die herausragende Ausdauerleistungen zu Tage bringt. Diese These wirkt schlüssig, konnte bisher jedoch nicht ausreichend untersucht werden. Ein solches Vorgaben ist arg komplex, langwierig und kostenintensiv.
Die Ergebnislage soll sich in den kommenden Jahren ändern. Nicht auszuschließen ist ferner, dass unterschiedliche Konfigurationen einen erfolgreichen Läufer machen. Welche das sind und inwieweit wir Europäer die Erkenntnisse aktiv nutzen können, bleibt abzuwarten.
Mein Fazit: Schlagzeilen, welche die Überlegenheit ostafrikanischer Läufer zum Ausdruck bringen, sind mit Vorsicht zu genießen. Es gibt ohne Zweifel plausible Erkenntnisse, die Erklärungsansätze bieten. Eine komplexe Funktion, die alle wichtigen Voraussetzungen für den läuferischen Spitzenerfolg abbildet, ist noch in weiter Ferne. Aber glücklicherweise nicht soweit, wie die allumfassende Weltformel.
Ein sehr schöner Artikel, lese ich immer wieder gerne.
AntwortenLöschenBitte weiter so machen!!!
Danke Dir, Vladislav!
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