Die zielgerichtete Aufnahme von Kaffee oder in Sportgetränken gelöstem Koffein ist in Ausdauersportarten üblich. Unter bestimmten Voraussetzungen, ist eine leistungsförderliche Wirkungsweise gut dokumentiert. Die hierbei wirksamen physiologischen Mechanismen werden kontrovers diskutiert. Eine jüngst veröffentlichte und qualitativ hochwertig projektierte Studie der School of Sport and Exercise Science in Birmingham (UK), gibt Anlass den Wald der Gerüchte ein wenig zu lichten - soweit mir das hier möglich ist:
In vorliegender Untersuchung galt es zu ermitteln, ob das Trinken von gewöhnlichem Kaffee ähnliche Effekte auf die Ausdauerleistung ausübt, wie die Aufnahme von im Wasser gelösten Koffein. Dazu wurde eine Gruppe von 8 männlichen, gut trainierten Rennradfahrern / Triathleten untersucht (VO2max etwa bei 60 ml/kg/min). An der Untersuchung teilnehmen durften nur jene Sportler, die im Alltag maximal 300 mg Koffein / Tag zu sich nehmen. Das entspricht in etwa 3 Tassen Filterkaffee. Ein Cappuccino der Kette Starbucks enthält hingegen bereits 375 mg Koffein (tall, 360 ml).
In der randomisierten, einfach verblindeten, ausgeglichenen Crossover-Studie wurden den Teilnehmern 1 Stunde vor Beginn des ersten von vier Versuchen, in einem lichtundurchlässigen Thermosgefäß, eine dieser 4 geschmacksähnlichen 600 ml-Lösungen verabreicht :
- 5 mg Koffein / kg Körpergewicht (Konzentrat)
- 5 mg Koffein / kg Körpergewicht (Instantkaffee)
- Dekoffeinierter Kaffee
- Placebo-Lösung
Die Tests wurden auf einem Fahrradergometer absolviert. Das Hauptexperiment bestand aus einer 30-minütigen Steady State-Fahrt (55% VO2max), gefolgt von einem Zeitfahren, in welchem ein Arbeitsvolumen von ca. 650 kJ, schnellstmöglich absolviert werden musste. Die Teilnehmer erhielten während und nach jeder Fahrt kein Feedback über die erbrachte Leistung.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
Steady-State-Fahrten
- zwischen den Gruppen bestanden keine sig. Unterschiede im Hinblick auf die Fett- und Kohlenhydrat-Oxidationsraten. Erwartungsgemäß nimmt im Zeitverlauf in allen Gruppen die Verstoffwechselung von Glukose ab (1,7 g/min auf 1,5 g/min) und die von Fettsäuren zu (0,5 g/min auf 0,65 g/min)
- Die Plasmakoffein-Konzentration erreicht nach 30 bis 60 Minuten den Höhepunkt (25-35 µM). Zwischen Kaffee und Koffein bestehen keine bedeutsamen Konzentrationsunterschiede
- Die Fahrzeiten nach Aufnahme von Kaffee und Koffein sind signifikant schneller als nach Aufnahme von Placebogetränk oder dekoffeiniertem Kaffee (je ca. 38 min vs. je. ca 40 min)
- Das entspricht einem höheren Leistungsoutput von 15 bis 20 Watt oder einer Leistungsverbesserung von 4 bis 5 %
- nach Ende der Versuchsreihe waren nur 3 von 8 Teilnehmern in der Lage die verabreichte, vollständige Reihenfolge der Getränkeaufnahme zu erraten
Es wurde festgetellt, dass Kaffee und Koffein gleichermaßen - in besagter Dosis - zu einer Leistungsverbesserung im Zeitfahren führen.
Drei Erklärungsansätze werden grundlegend herangezogen:
- Koffein erhöht die Fettstoffwechselrate und spart Muskelglykogen. Fakt ist, dass Koffein den Ausstoß im Blut zirkulierender Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin u.ä.) steigert, die wiederum die Lipolyse stimulieren. Das jener Effekt hier zum Tragen kommt, ist unwahrscheinlich. Die Lipolyseraten unterscheiden sich in der Steady State-Fahrt nicht. In anderen Untersuchungen konnte beobachtet werden, dass dies bei ansteigendem Leistungsoutput auch der Fall ist. Ohnehin sind die Glykogenspeicher im vorliegenden Testdesign nicht limitierend.
- Koffein steigert die Erregbarkeit von Muskelfasern. Koffein hat einen direkten Einfluss auf das die Muskelerregbarkeit modulierende Enzym Phosphorylase, erhöht den Einstrom von Kalizium-Ionen in den extrazellulären Raum und dessen Ausschüttung im sarkoplasmatischen Retikulum, sowie die Natrium-Kalium-ATPase-Aktivität (allesamt essentielle Mitspieler bei der Muskelkontraktion).
- Koffein beeinflusst die Signalübertragung vom Gehirn auf die Motorneurone. Der erhöhte Katecholamin- und Neurotransmitterausstoß mindert das Schmerzempfinden und damit den subjektiv wahrgenommen Anstrengungsgrad. Ferner kann Koffein den Schwellenhöhe einzelner Motorneurone herabsetzen, den Ionentransport innerhalb des Muskels beschleunigen und neuronale Übertragungsraten steigern.
Ungeachtet so manchem nachvollziehbaren Einwand an der Studie, bleibt für mich festzustellen:
Es ist gilt als glaubhaft und mehrfach beobachtet, dass die Aufnahme von Kaffee allein, 1 Stunde vor einer sportlichen Ausbelastungssituation und in einer alltagsüblichen Dosierung leistungsförderlich ist. Dass hier ein Zeitfahren als Testmodus gewählt wurde, steigert den Wert für die Übertragbarkeit auf den Laufsport, wo im Wettkampf gleichermaßen ein gesetztes Arbeitsvolumen (Überwindung einer Strecke) schnellstmöglich realisiert werden soll. Auch die Belastungsdauer entspricht den Anforderungen einer Langzeitausdauer II-Disziplin, wie es bspw. der 10 km-Lauf ist.
Was die beschriebenen Steigerungsraten betrifft, bleibt offen, ob sich jene in diesen Größenordnungen auf den Laufsport übertragen lassen. Hierbei könnte sich die Magenverträglichkeit von 600 ml Kaffee, eine Stunde vor dem Lauf, als bremsender Faktor erweisen. Ebenso die Tatsache, dass die Wenigsten einen Wettkampf nüchtern, also nach Übernachtfasten in Angriff nehmen. Eine übliche Nahrungsaufnahme vor dem Wettkampf, wird die Aufnahmerate von Koffein unweigerlich drosseln.
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