Freitag, 3. Februar 2012

Billats 30:30 - ein wundersames Verhältnis?

Mein erster Februarbeitrag wird sich gegenüber den aktuell auffindbaren Trainingsbeiträgen ein wenig gegenläufig verhalten. Wo doch momentan zuhauf auf Risiken und Alternativen beim winterlichen Lauftraining verwiesen wird, möchte ich auf eine Trainingseinheit hinweisen, die aufgrund Ihrer Intensität, bei den momentan niedrigen Außentemperaturen, von Sportmedizinern nicht gerade angeraten werden würden.

Dennoch möchte ich darüber berichten, denn die zugrundeliegenden Überlegungen haben mich verblüfft. Dazu lässt sie sich ideal nach Abschluss des Grundlagentrainings einstreuen - in diese Phase treten viele Läufer nun ein. Die Rede ist von „Billats 30-30“.

Ziel dieser speziellen Trainingseinheit ist die Verbesserung von Laufökonomie und maximaler Sauerstoffaufnahme (VO2max). Die wissenschaftliche Variable, die beide Komponenten zusammenbringt, ist die sog. vV02max.

Die vVO2max ist die niedrigste Geschwindigkeit bei der die VO2max, z.B. im Rahmen eines Stufentests, erreicht wird. Zur Veranschaulichung: Eine Läuferin verfügt über eine relative VO2max von 55 ml∙kg-1∙min-1 und erreicht diese bei einer Geschwindigkeit von 16 km/h. Wenn eine weitere Geschwindigkeitserhöhung tatsächlich keinen Anstieg der VO2max auslöst, dann handelt sich bei den besagten 16 km/h um die vVO2max.

Zur Beurteilung der Laufökonomie ist das Verhältnis von rel. VO2max zu vVO2max von Bedeutung. Denn es kann der Fall sein, dass eine weitere Läuferin mit identischer rel. VO2max nur imstande ist eine Geschwindigkeit von 15 km/h realisieren. Ihr Bewegungsablauf erfordert offenbar einen größeren Ressourceneinsatz, sprich mehr Sauerstoff pro Laufkilometer bei gleicher Geschwindigkeit.

Um die vVO2max systematisch zu erhöhen, hat die Französische Professorin und Leistungsphysiologin Veronique Billat, einen Trainingsansatz ersonnen (und experimentell überprüft), der ein möglichst langes Laufen im vVO2max-Bereich ermöglicht - und diese nach mehrfacher Reizwiederholung steigert.

Das Ergebnis beruht auf der Beobachtung, dass der Sauerstoffverbrauch trotz deutlicher Geschwindigkeitsreduzierung (nach Erreichen der vVO2max) für weitere 15-20 Sekunden auf dem Sauerstoffaufnahme-Maximum verharrt.

Voraussetzung für ein maximal langes Training im Bereich der vVO2max: Zum einen darf die Trainingsgeschwindigkeit nicht darüber liegen und zu lang absolviert werden (der hohe pH-Wert-Anstieg würde schnell zu Ermüdung und Belastungsabbruch führen), zum anderen dürfen die Wiederholungspausen nur so kurz ausfallen, dass der maximale Sauerstoffverbrauch nur geringfügig abfällt.

Als logische Konsequenz und nach ersten praktischen Versuchen haben sich die berüchtigten „30-30-Einheiten“ herauskristallisiert. Das bedeutet:

Nach einer 10-minütigen Aufwärmphase folgen 30 s-Intervalle mit vVO2max, gefolgt von 30 s-Trabpause ca. in der Hälfte der Geschwindigkeit. Die Abfolge wird solange geleistet bis die Geschwindigkeit über die 30 s-Zeitspanne nicht mehr gehalten werden kann. 16 bis 24 solcher Abfolgen seien im Normalfall realisierbar. Im Anschluss folgt eine 10-minütige Auslaufphase.

Bleibt die Frage zu klären, wie man die eigene vV02max herausfindet, wenn kein Stufentest im Labor stattfinden kann. Viele US-amerikanische Trainer verweisen auf einen 6-min-Zeitlauf auf der Bahn, mit der Aufgabe eine maximale Strecke zu überwinden. Die erreichte Distanz wird durch 12 dividiert. Ungeachtet der methodischen Ungenauigkeit ist der Test dennoch praktikabel:

Beispiel: Ein Läufer absolviert in 6 min eine Strecke von 1.800 m. Folglich müsste er in den besagten 30 Belastungssekunden, eine Strecke von 150 m bewältigen. Mit einem Navigationsgerät ließe sich der Abschnitt gut und wahlweise auch über die Pace steuern.

Das Training sollte 1-mal wöchentlich Anwendung finden und über 6 Wochen durchgeführt werden. Ich finde den Trainingsansatz grundsätzlich beachtenswert. Wie wir jedoch alle wissen, ist der Reigen der Trainingseinheiten im Ausdauersport groß und über verschiedene Wege zielführend. 

4 Kommentare :

  1. Die Begründung klingt für mich fast identisch wie die für Intervalltrainings, die es in allen möglichen Variationen gibt. Ob nun 1.000m mit 3' TP oder je 30s Tempo und 30s Pause ...

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  2. Zielsetzung der "Billats 30-30" ist die Steigerung der VO2max bzw. die Entwicklung der Geschwindigkeit am Sauerstoffaufnahme-Maximum (vVO2max). Das soll durch Maximierung der Laufzeit an der VO2max erreicht werden.

    Der Clou liegt darin, dass die Sauerstoffdurchsatz innerhalb der kurzen Pause nicht abfällt und so - trotz vieler Unterbrechungen - ein hohes Gesamtvolumen mit der vVO2max absolviert werden kann (der Laktatanstieg ist verzögert). Ihren Studien zufolge ein Größeres als bei längeren Laufabschnitten, wie bspw. bei 1.000ern mit längeren Pausen, die zu einem Abfall der Sauerstoffabnahme führen.

    Um Missverständnisse zu vermeiden: Hierzulande werden 1.000er Intervalle meist zwischen dem 10 bis 5 km-Renntempo gelaufen und damit assoziiert. In diesem Tempobereich werden lediglich 80-90% der VO2max ausgeschöpft und damit auch keine Erhöhung der vV02max ausgelöst.

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  3. Ich trainiere diese 30/30 Serien immer mal wieder. Bisher aber mehr im Winter als Bergsprints, auch und gerne bei Schnee. Also eher unsystematisch und rein aus Spass bzw. nur um den Wintertrab was entgegenzusetzen. Jetzt hab ich das mal wieder auf wirklich vermessener Stecke gemacht und mich mit dabei auch mit der Geschwindigkeit auseinandergesetzt.
    In verschiedenen Dokumenten wird als Geschwindigkeit 90-105% vVO2max vorgeschlagen und dabei soll eine HFmax von bis zu 95% erreicht werden.
    Quelle:
    http://www.sportservice-v.at/zoolu-website/media/document/1493/Pr%C3%A4sentation+Vortrag+Dr-+Vogt+

    Der angebende Bereich ist natürlich sehr breit. Meiner Erfahrung nach muss ich tatsächlich die 105% laufen um deutlich über 90% HFmax zu kommen, 95% erreiche ich nicht. Die Geschwindigkeit ist aber auch die absolute Obergrenze, schnellere Geschwindigkeit führt bei mit zu Abbruch.

    Bei 4 min Intervallen hingegen die ich nach Daniels laufe erreiche ich die 95% HFmax, wenns gut läuft. Das Daniels I-Pace soll auch schon 98% vVO2max betragen wie man hier sehen kann:
    http://www.attackpoint.org/trainingpaces.jsp

    Wie ist das bei dir wenn du 30/30 trainierst. Trainierst du wirklich genau vVO2max ? Und wie reagiert deine HF ?

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  4. Hallo Osso,

    wenn ich 30/30er laufe, dann orientiere ich mich niemals an der Herzfrequenz. Aus zweierlei Gründen: Zum einen stellt sich die Ziel-HF erst mit einer Latenz ein. Das Belastungsintervall ist zu kurz, um die physiologische Anfoderung abzubilden. Das erklärt warum Du keine 95% HFmax erreichst. Hinzu kommt, dass die Trainingsgeschwindigkeit zu hoch und jene (max.) HF-Werte zu variabel sind, um sie exakt anzusteuern.

    Deshalb orientiere ich mich ausschließlich an einem Geschwindigkeitskorridor, der unter Normalbedingungen zwischen dem 3 und 5 km-Wettkampftempo liegt. Mit Tendenz Richtung 3 km-Tempo. Das passt erfahrungsgemäß.

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